Monat: Dezember 2020

Gute Family Business Governance stärkt Unternehmertum

Meine etwas provokative These an dieser Stelle lautet, dass eine nicht vorhandene oder nicht passende Family Business Governance von innen heraus das größere Risiko für den Bestand eines Familienunternehmens darstellt, als dies Ereignisse und Entwicklungen von außen, dem Markt und dem Umfeld, tun.

Erfolgreiche Gesamtführung eines Familienunternehmens

Top-Fußballmannschaften macht aus, dass sie nicht nur über die besten Spieler oder über das beste Spielsystem verfügen, sondern, dass sie beides ineinander vereinen. Dasselbe gilt für Familienunternehmen. Auch hier entscheidet über den künftigen Erfolg die optimale Verbindung „der Menschen mit ihrem Führungssystem“. Mit Führungssystem ist die Family Business Governance, also die übergeordnete Architektur, die Regelwerke und die Prozesse der Gesamtführung von Familie, Gesellschafter, Unternehmensführung und Unternehmensaufsicht gemeint.

Das Beste aus zwei Welten – der Familie und dem Unternehmen

Verschiedene Welten treffen in Familienunternehmen aufeinander. Auf der einen Seite die Familie mit ihrem, oft über Generationen aufgebauten, Familienvermögen, mit ihren Werten und ihren Familiendynamiken, auf der anderen Seite die Unternehmenswelt mit ihrer Leistungs- und Ergebnisorientierung im Rahmen der Marktgegebenheiten. Das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen ist die große Chance des Erfolgsmodells Familienunternehmen. Verhindert werden muss, dass familiäre Dynamiken und Emotionen ungehindert in die Unternehmenswelt eindringen. Mancher spricht da von der Errichtung einer emotionalen Firewall an der Schnittstelle zur Familie.

Eine gute Family Business Governance bildet eine starke Achse zwischen Familie und Unternehmen und sorgt für eine nachhaltige Balance zwischen den beiden Welten.

Die Unterschiede von Familie und Unternehmen managen

Eine besondere Herausforderung für die Gesamtführung als Familienunternehmens ist somit das Zusammenspiel von Inhaberfamilie/n und Unternehmensführung.  Man verfolgt zuweilen unterschiedliche Ziele und das Treffen von Entscheidungen kann in unterschiedlichen Geschwindigkeiten geschehen. Gesellschafter stammen oft aus anderen Berufen und Professionen, so dass Kompetenzunterschiede überwunden werden müssen und oft muss auch die Businesssprache „übersetzt“ werden, um die Themen für alle Anwesenden verständlich zu machen.

Die eigenen Rolle gut kennen und leben

Gesamtführung erfordert die Festlegung gemeinsamer Ziele, das Definieren strategischer, finanzieller und weiterer Eckpunkte, sowie das Zusammenwirken bei wichtigen Entscheidungen und Weichenstellungen. Hierfür benötigt man die passenden Gremien mit definierten Aufgaben und Kompetenzen, ein professionelles Berichtswesen, regelmäßigen Informationsaustausch und gute Kommunikation. Jeder muss seine eigene Rolle und die der anderen gut kennen. So gelingt das Zusammenspiel.

Wenn Familienunternehmen wachsen

„Wir arbeiten mit einer Firmenverfassung aus den 1970er Jahren. Aus diesen Schuhen sind wir längst rausgewachsen…“ so wird Robert Buchauer, CEO von Swarovski in einem Beitrag in der ZEIT vom 14.12.20 zitiert.

Die Gesamtführung eines Familienunternehmens muss der zunehmenden Komplexität der Familie, des Gesellschafterkreises und des Unternehmens Rechnung tragen. Wesentlicher Treiber für die notwendigen Anpassungen ist das Wachstum und die damit einhergehenden Veränderungen in der Inhaberfamilie. Die Zahl der Gesellschafter nimmt von Generation zu Generation zu, Familienstämme bilden sich heraus, Klein- und Großgesellschafter bilden heterogene Gesellschafterstrukturen, die Nähe zum Unternehmen unterscheidet sich zunehmend, der Graben zwischen aktiven und passiven Gesellschaftern vertieft sich… um nur einige Herausforderungen zu nennen. Regelwerke von vor 50 Jahren sind da nicht mehr wirksam. Der renommierte St. Galler Wirtschaftswissenschaftler Zellweger bringt es im ZEIT Artikel auf den Punkt. „…  Swarovski braucht eine Family Governance.“

Familienzusammenhalt über Generationen stärken

Family Governance als Baustein der Family Business Governance sichert den Zusammenhalt und die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit einer Inhaberfamilie. Die Grundlage bildet eine gemeinsam erarbeitete Familienverfassung. Selbstverständnis, Ziele, Werte und die Selbstorganisation sind unter anderem wichtige Inhalte einer solchen Verfassung. Einen Aspekt will ich hervorheben, nämlich die Heranführung der nächsten Generation an das Familienunternehmen. Sei es als verantwortungsbewusster Gesellschafter oder an eine Führungsposition im Unternehmen.  Das Onboarding der Next Generation erfordert einen professionellen Prozess. Dieser beginnt schon in der Jugend mit Aktivitäten rund um ein gemeinsames Teambuilding. In den Jahren vor und während des Eintritts als Gesellschafter steht die Qualifizierung im Vordergrund. Kundiges Lesen von Bilanzen und Reporting, Grundverständnis des Gesellschaftsrecht, Kenntnis rund um Unternehmensstrategie und Unternehmensführung sind die Mindestqualifikation für künftige Anteilseigner.

Unternehmer machen den Unterschied

Neben der strukturellen Passung zur Familie und zum Unternehmen orientiert sich eine gute Family Business Governance an den handelnden Menschen und Persönlichkeiten im jeweiligen Familienunternehmen. Denn, den Unterschied machen die Menschen! Sie sind die Unternehmer. Sie planen und führen. Sie entscheiden und handeln. Sie agieren und reagieren. Eine gute Family Business Governance unterstützt sie in ihrem Handeln. Sie wirkt im Hintergrund und ermöglicht, wie ein unsichtbares Betriebssystem, das bestmögliche Zusammenwirken der Familienmitglieder, der Gesellschafter, der Manager, der Aufsichtsräte und Beiräte. Gute Family Business Governance gibt Vertrauen, Orientierung und stärkt die unternehmerische Entfaltung des Einzelnen und aller gemeinsam.

Über den Autor

Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de

Disruption in Familienunternehmen

Gastbeitrag von Barbara Ganzinger

Im Oktober 2019 moderierten wir ein Workshop mit dem Thema „Disruption in Familienunternehmen“.

Den Workshop begannen wir mit den Worten: „Wenn wir an die wirklich großen Veränderungen von außen – im Markt, in der Region, dem Land der Welt denken …vor welchen großen Herausforderungen stehen wir als Familienunternehmen?“

Wenige Monate später mussten wir eine Disruption, radikale Veränderung, die sich niemand unserer Teilnehmer vorgestellt hatte, erleben. Bei allen Überlegungen welche großen einschneidenden Veränderungen möglich sein könnten, kam der Gedanke an eine Pandemie schlicht und einfach nicht vor. Wir hatten verschiedenen Szenarien besprochen, Umwelt, Marktzusammenbrüche durch politische Interventionen und Krisen, Finanzkrisen, neue Technologien, die vorhandene Erfolgsmuster aushebeln. Eine Pandemie dieses Ausmaßes mit einem totalen Lockdown in vielen Ländern, das kam in unseren Überlegungen einfach nicht vor.

Umso härter und unvorbereitet hat uns diese globale Krise getroffen, in der kein Land verschont geblieben ist. In Europa ist die Volkwirtschaft in nahezu allen Bereichen betroffen, es gibt Auswirkungen auf fast alle Unternehmen, wenn auch mit Unterschieden in zeitlicher Abfolge und Intensität.

Nun sehen wir bereits ein Licht am Ende des Tunnels. Mit der Zulassung von Impfstoffen in ganz Europa kann sich das Leben wieder normalisieren. Doch mit dem Ende der Pandemie werden die Folgen noch nachwirken bzw. werden Veränderungen bleiben. Welche Chancen werden sich daraus ergeben, welche werden Risken bleiben? Und was war der Input speziell für Familienunternehmen, welche Stärken konnten wir nutzten, wo waren wir verwundbarer als nicht Familienunternehmen? Dies zu genauer zu beurteilen ist noch zu früh, wird aber sicher Gegenstand von einschlägigen Untersuchungen sein.

In wenigen Tagen geht nun dieses außergewöhnliche Jahr, das uns vor nie geahnte Herausforderungen gestellt hat, zu Ende. Welche Erkenntnis wollen wir in die Zukunft mitnehmen?

Für uns zeigt sich, dass ein mächtiges disruptives Ereignis wie die Corona Pandemie ein Verstärker für Positives wie für Negatives ist. Das betrifft alle Systeme und damit auch Unternehmen. Dem kann man nicht viel entgegensetzten, man kann sich nur bedingt vorbereiten, es gilt jedoch die alte Weisheit – „ein geordneter Haushalt kann mal ein paar Tage allein gelassen werden, wenn man an anderer Stelle gebraucht wird“ und „bei Sturm kann man nichts reparieren“.

Für Familienunternehmen bedeutet ein „geordneter Haushalt“ mehr als für andere Unternehmen. Sie müssen nicht nur betriebswirtschaftlich Ordnung halten, um wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben, sie müssen sich auch um die „Familie“ kümmern.

Eigentümer in welcher Konstellation auch immer müssen im Einvernehmen miteinander agieren, geeint kann man auch Stürmen standhalten.

Barbara Ganzinger

Zirkel Familienunternehmen exklusiv

Kommunikation Orientierung Expertise

ganzinger@zfue.at

www.zfue.at