Gute Family Business Governance stärkt Unternehmertum
Meine etwas provokative These an dieser Stelle lautet, dass eine nicht vorhandene oder nicht passende Family Business Governance von innen heraus das größere Risiko für den Bestand eines Familienunternehmens darstellt, als dies Ereignisse und Entwicklungen von außen, dem Markt und dem Umfeld, tun.
Erfolgreiche Gesamtführung eines Familienunternehmens
Top-Fußballmannschaften macht aus, dass sie nicht nur über die besten Spieler oder über das beste Spielsystem verfügen, sondern, dass sie beides ineinander vereinen. Dasselbe gilt für Familienunternehmen. Auch hier entscheidet über den künftigen Erfolg die optimale Verbindung „der Menschen mit ihrem Führungssystem“. Mit Führungssystem ist die Family Business Governance, also die übergeordnete Architektur, die Regelwerke und die Prozesse der Gesamtführung von Familie, Gesellschafter, Unternehmensführung und Unternehmensaufsicht gemeint.
Das Beste aus zwei Welten – der Familie und dem Unternehmen
Verschiedene Welten treffen in Familienunternehmen aufeinander. Auf der einen Seite die Familie mit ihrem, oft über Generationen aufgebauten, Familienvermögen, mit ihren Werten und ihren Familiendynamiken, auf der anderen Seite die Unternehmenswelt mit ihrer Leistungs- und Ergebnisorientierung im Rahmen der Marktgegebenheiten. Das Beste aus beiden Welten zusammenzubringen ist die große Chance des Erfolgsmodells Familienunternehmen. Verhindert werden muss, dass familiäre Dynamiken und Emotionen ungehindert in die Unternehmenswelt eindringen. Mancher spricht da von der Errichtung einer emotionalen Firewall an der Schnittstelle zur Familie.
Eine gute Family Business Governance bildet eine starke Achse zwischen Familie und Unternehmen und sorgt für eine nachhaltige Balance zwischen den beiden Welten.
Die Unterschiede von Familie und Unternehmen managen
Eine besondere Herausforderung für die Gesamtführung als Familienunternehmens ist somit das Zusammenspiel von Inhaberfamilie/n und Unternehmensführung. Man verfolgt zuweilen unterschiedliche Ziele und das Treffen von Entscheidungen kann in unterschiedlichen Geschwindigkeiten geschehen. Gesellschafter stammen oft aus anderen Berufen und Professionen, so dass Kompetenzunterschiede überwunden werden müssen und oft muss auch die Businesssprache „übersetzt“ werden, um die Themen für alle Anwesenden verständlich zu machen.
Die eigenen Rolle gut kennen und leben
Gesamtführung erfordert die Festlegung gemeinsamer Ziele, das Definieren strategischer, finanzieller und weiterer Eckpunkte, sowie das Zusammenwirken bei wichtigen Entscheidungen und Weichenstellungen. Hierfür benötigt man die passenden Gremien mit definierten Aufgaben und Kompetenzen, ein professionelles Berichtswesen, regelmäßigen Informationsaustausch und gute Kommunikation. Jeder muss seine eigene Rolle und die der anderen gut kennen. So gelingt das Zusammenspiel.
Wenn Familienunternehmen wachsen
„Wir arbeiten mit einer Firmenverfassung aus den 1970er Jahren. Aus diesen Schuhen sind wir längst rausgewachsen…“ so wird Robert Buchauer, CEO von Swarovski in einem Beitrag in der ZEIT vom 14.12.20 zitiert.
Die Gesamtführung eines Familienunternehmens muss der zunehmenden Komplexität der Familie, des Gesellschafterkreises und des Unternehmens Rechnung tragen. Wesentlicher Treiber für die notwendigen Anpassungen ist das Wachstum und die damit einhergehenden Veränderungen in der Inhaberfamilie. Die Zahl der Gesellschafter nimmt von Generation zu Generation zu, Familienstämme bilden sich heraus, Klein- und Großgesellschafter bilden heterogene Gesellschafterstrukturen, die Nähe zum Unternehmen unterscheidet sich zunehmend, der Graben zwischen aktiven und passiven Gesellschaftern vertieft sich… um nur einige Herausforderungen zu nennen. Regelwerke von vor 50 Jahren sind da nicht mehr wirksam. Der renommierte St. Galler Wirtschaftswissenschaftler Zellweger bringt es im ZEIT Artikel auf den Punkt. „… Swarovski braucht eine Family Governance.“
Familienzusammenhalt über Generationen stärken
Family Governance als Baustein der Family Business Governance sichert den Zusammenhalt und die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit einer Inhaberfamilie. Die Grundlage bildet eine gemeinsam erarbeitete Familienverfassung. Selbstverständnis, Ziele, Werte und die Selbstorganisation sind unter anderem wichtige Inhalte einer solchen Verfassung. Einen Aspekt will ich hervorheben, nämlich die Heranführung der nächsten Generation an das Familienunternehmen. Sei es als verantwortungsbewusster Gesellschafter oder an eine Führungsposition im Unternehmen. Das Onboarding der Next Generation erfordert einen professionellen Prozess. Dieser beginnt schon in der Jugend mit Aktivitäten rund um ein gemeinsames Teambuilding. In den Jahren vor und während des Eintritts als Gesellschafter steht die Qualifizierung im Vordergrund. Kundiges Lesen von Bilanzen und Reporting, Grundverständnis des Gesellschaftsrecht, Kenntnis rund um Unternehmensstrategie und Unternehmensführung sind die Mindestqualifikation für künftige Anteilseigner.
Unternehmer machen den Unterschied
Neben der strukturellen Passung zur Familie und zum Unternehmen orientiert sich eine gute Family Business Governance an den handelnden Menschen und Persönlichkeiten im jeweiligen Familienunternehmen. Denn, den Unterschied machen die Menschen! Sie sind die Unternehmer. Sie planen und führen. Sie entscheiden und handeln. Sie agieren und reagieren. Eine gute Family Business Governance unterstützt sie in ihrem Handeln. Sie wirkt im Hintergrund und ermöglicht, wie ein unsichtbares Betriebssystem, das bestmögliche Zusammenwirken der Familienmitglieder, der Gesellschafter, der Manager, der Aufsichtsräte und Beiräte. Gute Family Business Governance gibt Vertrauen, Orientierung und stärkt die unternehmerische Entfaltung des Einzelnen und aller gemeinsam.
Über den Autor
Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.
Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de