Ende als Familienunternehmen I Das Ende eines Familienunternehmens ist kein Scheitern. Es ist eine Realität und ein systemimmanenter Schritt. Aber auch wenn sie geendet haben, lebt ihr Geist weiter…

Familienunternehmen sind endlich…

Unternehmen werden zum Familienunternehmen, sobald ihr Besitz einmal innerhalb einer Familie an die nächste Generation weitergereicht wird. In dieser Form bestehen sie dann zwei, drei, vier oder sogar noch weitere Generationen. Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie enden, als dass sie fortbestehen. Nur ca. 10% der Familienunternehmen erreichen die dritte und ca. 5% die vierte Generation. Über die fünfte Generation hinaus schaffen es ca. 1%.

Aber man weiß wenig darüber, wie sie enden

Nach meiner Beobachtung gibt es seit Jahren eine zunehmende Flut an Veröffentlichungen, Studien, Seminaren und Veranstaltungen rund um das Thema „Erfolgreiche Führung von Familienunternehmen“. So kann man sich eine Menge an Wissen über den Fortbestand aneignen. Aber, wie steigt man aus einem Familienunternehmen aus oder wie beendet man es? Selbst nach langer Recherche und Suche in diversen Suchmaschinen und Plattformen wurde ich nicht fündig. Spricht man mit denen, die persönlich aus einem Familienunternehmen ausgetreten sind und denen, die ein Familienunternehmen als Ganzes beendet haben, ist es umso unverständlicher, dass so wenig dazu geforscht wird und nicht viel darüber zu lesen ist. Viele der Betroffenen hätten sich Unterstützung von außen gewünscht, blieben aber meist auf sich allein gestellt.

Auch die Nachfolge war zunächst ein Tabuthema

Ich erinnere mich an die ersten Veranstaltungen, die ich Ende des letzten Jahrhunderts zum Thema „Nachfolge in Familienunternehmen“ besucht hatte. Die Teilnehmer waren überwiegend Berater und wenige Unternehmer. Diese, so wurde mir gesagt, wollten nicht in den Verdacht kommen, ihre eigene Nachfolge sei ungelöst. Ihre Anwesenheit bei solch einer Veranstaltung würde möglicherweise ein falsches Signal senden. Selbst Banker schilderten mir ihr Zögern, „ältere Unternehmerkunden“ auf ihre Nachfolge hin anzusprechen. Nachfolge war damals ein Tabuthema. Das hat sich über die Jahre verändert und die Planung und Vorbereitung einer Übergabe an einen Nachfolger gewann an Normalität. Man kann heute auf ein großes Wissen zurückgreifen und viele erfahrene Nachfolgeberater stehen Familienunternehmen beim Generationenwechsel zur Seite.

Ende ist kein Scheitern

Meine Hypothese ist, dass der Ausstieg aus bzw. die Beendigung eines Familienunternehmens von vielen als Scheitern betrachtet wird. Das Thema meidet man lieber. Ich kann das gut verstehen. Der Verkauf meines eigenen Familienunternehmens in 4. Generation vor über zwanzig Jahren folgte einer sehr nüchternen Betrachtung der Marktentwicklung und der Erkenntnis, dass diese für unser Unternehmen keine erfolgreiche Zukunftsperspektive aufzeigte. Dennoch wurde dieser Schritt von vielen in meiner nächsten Umgebung nicht verstanden. Ich möchte es diplomatisch ausdrücken – er wurde fehlinterpretiert. Vielleicht ist es mit dem Thema „Ende von Familienunternehmen“ so wie seinerzeit mit dem Thema Nachfolge. Dadurch, dass es aus der Tabuzone geholt wird, gewinnt es auch an Professionalität im Umgang damit.

Wenn Familienunternehmen enden

Vor einiger Zeit bezeichnete mich ein Kunde augenzwinkernd als „Familienunternehmens Fan“. Er hatte irgendwie Recht. Es war über viele Jahre mein Beratungsverständnis und – versprechen, alles dafür beizutragen, den Fortbestand als Familienunternehmen zu sichern. 20 Jahre Beratung von Familienunternehmen hat mich vieles gelehrt und …. es hat meinen Blick verändert. Heute sehe ich Familienunternehmen als ein Mehrgenerationenhaus, in dem es sich bestens leben lässt. Es ist ein Konstrukt, in dem die passenden Menschen, Ideen Ressourcen uvm. zusammenfinden. Alle profitieren voneinander. Und der Erfolg für den Einzelnen, die Familie und die Firma bestätigt das.  Doch Menschen, Märkte und Rahmenbedingungen ändern sich. Leben wäre nicht Leben, wenn dieses System sich nicht irgendwann erneuern sollte.  Familienunternehmen steuern dann auf ihr Ende zu.  Um einige Gründe zu nennen: keiner in der Familie will die Firma mehr haben und die Verantwortung dafür übernehmen I die Interessen und Lebensentwürfe innerhalb der Inhaberfamilie gehen auseinander und man verliert zunehmend den Konsens und somit die Handlungsfähigkeit als verlässlicher Eigentümer I unlösbare Konflikte drohen bzw. sind schon eingetreten  I ein Notfall trifft eine Familie unvorbereitet I die Familie kann oder will die Unternehmenszukunft nicht mehr aus eigenen Mitteln finanzieren I aufgrund radikaler Marktveränderungen droht der Verlust der Geschäftsgrundlage als eigenständiges Unternehmen.

Den passenden Zeitpunkt nicht hinauszögern

Nun möchte man glauben, dass, tritt eines dieser Ereignisse oder Entwicklungen ein, die Verantwortlichen zusammenfinden, um die Entscheidung zu treffen das Familienunternehmen zu beenden. Leider ist das die Theorie. In der Praxis stellt es sich oft anders dar. Man scheut sich, den Tatsachen in die Augen zu sehen und setzt auf das Prinzip Hoffnung. Man arbeitet, oft mit der Unterstützung von Coaches und Beratern, an den Symptomen wie zB. einem Konflikt zwischen den Gesellschaftern oder der Inhaberschaft und der Unternehmensführung oder innerhalb der Unternehmensführung. Unternehmensberater geben sich die Tür in die Hand und erarbeiten Strategien und Pläne deren Umsetzung nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Banker sichern die Finanzierung, aber nur, wenn weiteres Familienvermögen eingebracht wird. Ja, dadurch kann man Zeit gewinnen und ein mögliches Ende hinauszuzögern. Aber man verliert auch Zeit. Das Risiko steigt, dass zB. Konflikte sich verschärfen und das Unternehmen wirtschaftlich in Schieflage gerät oder sich diese noch verstärkt. Zum Fundament eines  Familienunternehmens zählt Vertrauen. Wenn die Vertrauensbasis erodiert, werden professionelle Entscheidungen und deren Umsetzung schwieriger, der Zusammenhalt und somit die Handlungsfähigkeit bei den Eigentümern kann verloren gehen. Die Gefahr droht, nicht mehr Herr der Lage zu sein und die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren. An einigen Beispielen könnte ich aufzeigen, wie Dritte in solchen Situationen leichtes Spiel hatten, günstig ein Unternehmen aus Familienhand zu erwerben.

Das Ende schleicht sich ein

Oft lässt sich das Ende eines Familienunternehmens nicht auf einen einzigen Grund oder ein plötzlich eintretendes Ereignis zurückführen. In der Praxis gehen verschiedene Entwicklungen in der Firma und der Familie schleichend einher. Und nicht selten bedingen sie einander und verstärken sich gegenseitig. In Folge der Handlungsunfähigkeit einer Unternehmerfamilie entsteht eine Unternehmenskrise. Die Schieflage des Unternehmens überfordert die Familie und führt zu Konflikten. Und das kann sich über Jahre hin entwickeln. Im Rückblick weiß dann keiner mehr genau, wann und warum das Ende begann. Man übersieht oder überhört die Frühindikatoren, welche Vorboten einer beginnenden Krise für das Familienunternehmen sein könnten. Gibt es … Veränderungen beim Verhalten der Gesellschafter? Spontane Äußerungen, die Ausdruck einer beginnenden Unzufriedenheit bis hin zum Beginn einer Vertrauenskrise sein können? Entwicklungen in den Gesellschafterfamilien, die man mal weiterdenken sollte? Aussagen oder gar Warnungen aus der Unternehmensführung, die auf einen tiefgreifenden Wandel im Markt hinweisen, welchen man als Unternehmen allein nicht mehr gewachsen ist? Wächst die Zahl der Gesellschafter und viele Kleingesellschafter verlieren die Bindung ans Unternehmen? Besteht eine über die Jahre stabile und dem Drittvergleich angemessene Ausschüttungspolitik? Bestehen finanzielle Abhängigkeiten einzelner Gesellschafter vom Unternehmen, im Normalfall und/oder im Notfall? Auch eine auffallende Fluktuation in der Unternehmensführung kann ein Indiz sein, dass irgendetwas nicht mehr passt?

Familie & Firma erstarren in ihren Fesseln

Sowohl aus meiner persönlichen Geschichte als auch aus meiner langjährigen Arbeit als Berater kenne ich Familienunternehmen, die wie in einer gemeinsamen Fessel erstarrt sind. Familie & Firma wurden zur Schicksalsgemeinschaft. In einigen Fällen sind es auf den ersten Blick unsichtbare Fesseln. Oft sind es finanzielle Abhängigkeiten oder auch Gesellschaftsverträge, die den gewünschten Austritt von Gesellschaftern verhindern, weil dieser faktisch gar nicht oder aber nur mit erheblichen finanziellen Nachteilen für den Austretenden möglich ist.

Gegenseitige Abhängigkeiten

Warum aber wird der Erhalt des Familienunternehmens über alles gestellt? Auch dann, wenn man bei genauerem Hinschauen erkennt und in vertraulichen Gesprächen erfährt, dass die Familie bereits zum Engpass der Unternehmensentwicklung geworden ist oder in der Familie bereits starke Tendenzen zur Lösung vom Unternehmen vorhanden sind. Es gibt vielschichtige Gründe hierfür. Die Identität und der soziale Status der Familie und einzelner Mitglieder ist eng mit der Firma verbunden. Die Vorstellung, nicht mehr „Unternehmer X“ zu sein oder „zur Unternehmerfamilie Y“ zu gehören, wird als großer Verlust wahrgenommen. Einkommen und andere Zuflüsse aus dem Unternehmen bilden die wichtigste oder einzige Existenzgrundlage, eine Alternative hierzu ist schwer vorstellbar oder nicht möglich. Der  Verlust von unternehmerischer Unabhängigkeit droht. Man fürchtet um den Zusammenhalt der Familie, wenn der gemeinsame Unternehmensbesitz als „verbindendes Familienprojekt“ wegfällt. Aber auch im Unternehmen kann der Verlust einer über Jahrzehnte und Generationen währenden Sicherheit, die eine Unternehmerfamilie als Eigentümer bietet, zu einer starken Bindung führen. Führungskräfte und Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner appellieren an die Verlässlichkeit und Verantwortung der Unternehmerfamilie und fürchten um den Fortbestand der Firma, sollte sich die Familie zurückziehen.

Entscheidungsprämissen verschieben sich

Aus Sicht des Unternehmens kann es fatal werden, wenn Familieninteressen den obersten Orientierungsrahmen bilden. Unternehmensentscheidungen werden dann unter falschen Prämissen getroffen. Ausschüttungen gehen vor Investitionen. Risikoaverse Vermögenssicherung der Familie verhindert Investitionen und den Aufbau neuer Märkte. Der notwendige Umbau des Geschäftsmodells wird durch ein Festhalten an alten Traditionen verhindert.

Das eigene Familienunternehmen auf der grünen Wiese neu gründen

Berater empfehlen Unternehmern und Managern gerne, sich die Neugründung ihres Unternehmens auf der grünen Wiese vorzustellen. Diese Übung erhöht die Chance, disruptive Entwicklungen, welche das eigene Geschäftsmodell bedrohen können, rechtzeitig zu erkennen. Das radikale Hinterfragen der eigenen Wertschöpfung und der eigenen Prozesse macht notwendige Veränderungen sichtbar. Bevor es zu spät sein kann. Übertragen auf das Konstrukt Familienunternehmen lassen sich ähnlich radikale Fragen stellen. Wie würden wir unser Familienunternehmen heute auf der grünen Wiese neu konstruieren, so dass die Verbindung Familie und Firma einen maximalen Mehrwert schöpft? Wie wirkt sich das im Unternehmen aus… wie in der Familie? Was sind die gegenseitigen Erfordernisse und Erwartungen? Welche Regelwerke braucht es? Und als Folge daraus… was müsste man sofort anders machen als bisher? Was müsste man ändern? Und letztlich die entscheidende Frage lautet: „Schaffen und wollen wir das, alles so radikal zu ändern, dass es auch für die Zukunft passt?

Mit Mut in die Zukunft

Eine Entscheidung für den Ausstieg oder die Beendigung und deren Umsetzung ist vergleichbar zur Unternehmensgründung. Beide Schritte sind aktiv und unternehmerisch, ein Aufbruch ins Ungewisse. Ein aktives Vorangehen mit dem Blick nach vorne. Beide entspringen der Absicht, eine gegebene Situation zu verändern mit der Zuversicht, eine neue und bessere zu erschaffen. Beide sind mutig.

Vom Ausstieg eines Einzelnen bis zum Rückzug der gesamten Familie

Steigt ein Einzelner oder zB. ein Familienstamm aus, endet für diesen das Familienunternehmen. Der Rückzug der gesamten Familie aus der Kontrolle über das Unternehmen beendet das Konstrukt Familienunternehmen. Entsprechend unterscheiden sich jeweils die Herausforderungen für den Einzelnen, für die Familie und für die Firma.

Ausgrenzung in der Familie

Der Ausstieg eines einzelnen Familienmitgliedes ist eine persönliche Herausforderung. Ob das im Unternehmen ein Einschnitt ist, hängt von der Höhe der Beteiligung und ggfs. dessen Rolle im Unternehmen ab. Das Ausscheiden kann zu einem emotionalen Thema in der Familie werden und dort zur Ausgrenzung führen. Der Austritt erfolgt aber nur aus der Unternehmens- und nicht aus der Familiengemeinschaft. Das darf nicht verwechselt werden.


Finanzielle Herausforderung in der Familie und in der Firma

Sollte ein Familienstamm oder gleich mehrere Familienstämme austreten, stehen gerne Finanzierungsfragen in der Familie und im Unternehmen im Vordergrund. Kann jemand aus dem bestehenden Gesellschafterkreis die Anteile übernehmen? Oder muss man sich einem dritten Investor von außen öffnen? In der Familie droht gleichfalls ein Riss zwischen den verbleibenden und den gehenden Familienstämmen. Im Unternehmen kann der Ausstieg zu Verunsicherung und Irritation führen. Außer dann, wenn dem Ausstieg einzelner Gesellschafterstämme lange Konfliktphasen vorausgehen. Der Ausstieg ist dann Teil der Konfliktlösung und wird als erleichternd wahrgenommen.

Strategiewechsel und Kulturwandel im Unternehmen

Steigt die gesamte Familie aus, endet das Familienunternehmen. Neue Inhaber übernehmen Verantwortung und Kontrolle über das Unternehmen.  Das Unternehmen steht in vielen Fällen vor einem Strategiewechsel. Je nach den Absichten der neuen Inhaberschaft, wird sich der Kurs ändern. Ein strategischer Investor wird nach Synergien mit seinen bestehenden Unternehmungen trachten und folglich auch die Integrationsstrategie festlegen. Ein Finanzinvestor verfolgt eine Wertsteigerungs- und Exit Strategie. Ein Family Office wird vielleicht noch am ehesten die nachhaltige Eigenständigkeit des Unternehmens verfolgen. Das alles werden die Menschen im Unternehmen, aber auch deren Kunden und Geschäftspartner als Kulturwandel wahrnehmen. Neue Spielregeln und Werte werden über die Zeit diejenigen ablösen, welche durch die ausgeschiedene Unternehmerfamilie über Jahrzehnte und Generationen hinweg geprägt worden sind.

Professioneller Prozess auf allen Ebenen

Die Reduktion des Prozesses, aus einem Familienunternehmen auszusteigen oder ein Familienunternehmen zu beenden, auf juristische, steuerliche, finanzielle und andere eher „technische Handwerksarbeit“ genügt nicht. Kopf und Herz, Gefühl und Kalkül sind gefordert. Den Aspekt, den ich besonders in den Vordergrund stelle: die gemeinsamen Wege von Menschen und Gemeinschaften trennen sich. Vieles, was bisher Sinn- und Identitätsstiftend war, löst sich auf. Neues beginnt! „…und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ – Hermann Hesse.

Persönliche Zukunft

Für den Einzelnen gilt es, das eigene Leben nach dem Familienunternehmen zu planen. Es ist durchaus hilfreich, sich solche Menschen vor Augen zu führen, die das Ende des eigenen Familienunternehmens bereits einige Zeit hinter sich haben. Viele, die ich kenne, schildern ihren Weg als eine der großen und einschneidenden Veränderungen in ihrem Leben. Ja, sie konnten und wollten die Herkunft aus dem Familienunternehmen nicht abschütteln. Dessen Prägung wirft einen langen Schatten und begleitete viele ihr weiteres Leben. Und nahezu alle schildern, dass sie viel Positives und Stärkendes aus dieser Vergangenheit mitgenommen haben. Die beruflichen Entwicklungen „nach dem Familienunternehmen“ sind sehr unterschiedlich. Einige widmen sich der Kunst & Kultur oder den Wissenschaften, andere gründen ein neues Unternehmen oder es zieht sie in die Beratung. Einen roten Faden aber kann ich durchaus erkennen, ohne es verherrlichen zu wollen. Den meisten gelingt eine weitere Entfaltung und Verwirklichung ihrer persönlichen Fähigkeiten und Leidenschaften.

Zukunft als Familie

In der Familie ist das Ende ein emotionaler, in jedem Fall aber ein finanzieller und oft ein struktureller Eingriff. Es ist der Auszug aus dem „gemeinsamen Mehrgenerationshaus“, in dem man bisher gelebt und gearbeitet hat. Die Kooperation als Unternehmerfamilie löst sich auf. Eine neue Zukunft wird geplant. Diese ua Fragen stellen sich… Wie gelingt es uns, alle Familienmitglieder gut zu informieren und mitzunehmen? Wie verhindern wir, dass der Ausstieg oder das Ende als Scheitern wahrgenommen wird? Welche Chancen liegen im Neubeginn, für jeden Einzelnen und für uns als Familie?Was soll uns weiterhin binden? Gibt es neue Formen der Kooperation und wenn welche und wer macht mit? Finanziell steht die Familie vor einer wichtigen Weichenstellung. Nämlich, investiert sie weiterhin gemeinsam ihr Vermögen und entwickelt sich von einer Unternehmerfamilie hin zu einer Vermögensfamilie? Oder nimmt jeder sein Geld und die gemeinsamen künftigen Bande beschränken sich auf ein verwandtschaftliches Miteinander?

Ein VERMÄCHTNIS von Familienunternehmen

Familienunternehmen sind ein wertvoller Nährboden und Katalysator für eine Erfahrung, die durch die Menschen weitergetragen wird, welche eine starke Prägung in diesen erfahren haben. Beim Schreiben dieses Beitrages kam mir ein Begriff in den Sinn, der dieses Vermächtnis von Familienunternehmen aus meiner Sicht gut beschreibt: ehrbares Unternehmertum!  Familienunternehmen lehren uns die Übernahme unternehmerischer Verantwortung, nachhaltiges Wirtschaften, einen guten Umgang mit begrenzten Ressourcen im Spannungsfeld zwischen der Wahrnehmung neuer Marktchancen und der Sicherung des Bestandes. Man erfährt, dass man im Handeln an seinen eigenen Werten gemessen wird und dass man mit Leidenschaft und Mut Dinge verändern und weiterbringen kann. Unternehmertum heißt auch, seinen eigenen Weg zu finden und ihn zu gehen!

Nachwort

Mit diesem Beitrag kann ich das Thema Ende von Familienunternehmen nur anreißen. Ich würde mir wünschen, dass in den nächsten Jahren vermehrt zu diesem Thema geforscht und Wissen zusammengetragen wird. Sowohl den Betroffenen in den Familienunternehmen selbst, sowie den mitwirkenden Beratern, Investoren und weiteren Dienstleistern sollte ein besseres Gesamtverständnis für diese komplexe Aufgabenstellung an die Hand gegeben werden. Die Weiterentwicklung eines „ehemaligen Familienunternehmens“ durch einen neuen Inhaber könnte vielleicht reibungsloser und erfolgreicher gelingen, wenn die anstehenden Veränderungsprozesse zum Teil auch als Lösung von einer prägenden Unternehmerfamilie verstanden werden. Die Betreuung und Anlage der aus dem Unternehmen frei gewordenen liquiden Mittel durch einen Vermögensverwalter sollte nicht nur „den üblichen Anlagestrategien“ folgen. Das Geld hat Geschichte. Die Anlageziele der ehemaligen Unternehmerfamilie fußen auf den Erfahrungen aus der Vergangenheit. Viele wollen weiterhin einen Teil ihres Vermögens unternehmerisch investieren. Und die Werte, die ihnen im eigenen Unternehmen wichtig waren, bilden oft einen wichtigen Rahmen für die künftigen Anlageentscheidungen. Oft gibt es in Familienunternehmen Immobilien, welche weiterhin im Besitz der Familie verbleiben. Neben der wirtschaftlichen kommt diesen eine emotionale Bedeutung zu. Von der Gründervilla bis hin zu einzelnen Betriebsstätten kann das auch ein umfangreicher Grundbesitz sein. Ich kenne einige Unternehmerfamilien, die sich von ihrem operativen Geschäft getrennt, einen Teil ihres Immobilienbesitzes aber behalten haben. Dessen Entwicklung, oft über viele Jahre hinweg, wird zur neuen Aufgabe und Herausforderung. Das Bewahren steht im Spanungsfeld zur Umnutzung und Neuentwicklung. Beteiligte Architekten, Planer und Immobilienentwickler sollten ein gutes Verständnis für die Transformation der Immobilien und deren Bedeutung für die Eigentümer und Bauherren haben.

Auch wenn sich Familienunternehmen formal auflösen, wirklich enden tun sie dadurch nicht. Ihr Geist lebt nicht nur in den Menschen aus der Unternehmerfamilie weiter. Auch im Unternehmen, im desinvestierten Kapital, in Immobilien und anderen Assets lässt sich ihre Prägung noch lange erkennen und erahnen. Das finde ich sehr spannend.

Über den Autor

Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de