Familienverfassungen auf dem Prüfstand

Royale Herausforderungen

Seit ein paar Wochen verfolge ich die Serie „The Crown“ auf Netflix. Sie beschreibt die Herausforderungen der königlichen Familie, ihr privates und berufliches Leben miteinander zu vereinbaren bzw. zu trennen, recht gut. Wenn Familien eine gemeinsame Aufgabe und Verantwortung für ein Unternehmen oder eben – wie bei den Royals für ein Land – haben, ist das sehr viel mehr als „nur das gemeinsame managen eines ganz normalen Familienlebens“. Ich finde, in der Serie  wird dieser Konflikt zum Beispiel bei der Ehe von Queen Elisabeth und Prinz Philip aber auch bei der „aus königlicher Räson“ verhinderten Ehe von Prinzessin Margaret und Lord Townsend, deutlich.

Megxit

Passend zur historischen Serie „The Crown“ findet hier und heute der Megxit statt. Prinz Harry und seine Frau Herzogin Meghan suchen eine neue Rolle. Die „royale Familienverfassung“ (… ich erlaube mir, die Regelwerke des Königshauses der Einfachheit halber so zu bezeichnen) sieht einen solchen Schritt nicht vor und muss nun überarbeitet werden. Denn es soll ja nicht nur eine „Harry & Meghan-Lösung“ gefunden werden. Man denkt in Jahrzehnten und bei den Royals in Jahrhunderten. Die „neue Rolle“ im Spannungsfeld zwischen privatem und royalem Leben soll auch der nächsten Generation Orientierung und einen Rahmen geben. Geregelt werden die künftige Nutzung von Namensrechten, die Vereinbarkeit oder Trennung privater und royaler Aufgaben und deren Bezahlung beziehungsweise Einschränkungen für die private und berufliche Entwicklung uvm.

Verfassungen für Unternehmerfamilien auf dem Prüfstand

Was sich derzeit im englischen Königshaus  ereignet nehme ich zum Anlass,  Unternehmerfamilien anzuregen, ihre bestehenden Familienverfassungen auf den Prüfstand zu stellen.

Familienverfassungen werden dynamisch

Der Erarbeitung einer Familienverfassung liegen  Fragestellungen zugrunde wie…  Was wollen wir als Unternehmerfamilie über die Generationen erhalten, entwickeln und weitergeben? Warum wollen wir das? Was ist uns wichtig? Welche „gemeinsamen Spielregeln“ müssen wir festlegen, um sicherzustellen, dass wir erreichen, was wir erreichen wollen? Wie sehen wir unsere Rolle als Unternehmerfamilie und die Rolle jeder Einzelnen darin? Was bedeutet das für unser Unternehmen und unser Familienvermögen? Auch, wenn sich die Fragen über die Jahrzehnte und Generationen hinweg ähneln, die Antworten hierauf unterliegen dem stetigen Wandel. Die Planungszyklen von Unternehmensstrategien werden nach Aussage vieler Manager immer kürzer. So sehe ich das auch bei Familienverfassungen. Die Gültigkeit einmal getroffener Antworten unterliegt hoher Dynamik und erfordert regelmäßige Anpassung und Weiterentwicklung.

Warum Familienverfassungen regelmäßig auf den Prüfstand sollen

Wertschöpfung nach Innen

Unternehmerfamilien sind eine Kooperation mit „familiärer Bande“ und eine Familienverfassung ist im Grunde nichts anderes als eine Kooperationsvereinbarung von Familienmitgliedern. Früher mag der Schutzgedanke für die Familie im Vordergrund gestanden sein. Es galt, die Kontrolle über das eigene Unternehmen und Vermögen gegenüber Interessen Dritter zu schützen. Sicherheit war ein hoher Motivationsfaktor. Eine starke Familiengemeinschaft sicherte die Existenz und finanzielle Unabhängigkeit der einzelnen Mitglieder. Heute braucht es da schon etwas mehr. Das erlebe ich in vielen Gesprächen – speziell mit der jungen Generation. Sie suchen nach einer Gemeinschaft, die ihnen und ihren Familien Sinn stiftet und sie bereichert. Dann sind sie nicht nur bereit dabei zu bleiben, sie übernehmen dann sehr gerne auch aktiv Verantwortung.

Wertschöpfung nach Außen

Unternehmerfamilien werden auch von außen zunehmend kritisch an ihrem Beitrag im Unternehmen und in der Gesellschaft gemessen. Wie nehmen sie ihre Verantwortung wahr? Welche Werte verfolgen sie? Wie unterstützen sie die Unternehmensentwicklung? Wie agieren sie im gesellschaftlichen Umfeld? Deutlich erlebbar wird dies zum Beispiel bei der Besetzung von Top Management- oder Beirats- bzw. Aufsichtsratspositionen in Familienunternehmen. Kandidaten stellen diese und ähnliche Fragen, deren Antworten ein nicht unwesentlicher Entscheidungsfaktor  sind.

Öffnen nach Innen

Wer sich nicht der Zukunft öffnet, verharrt in der Gegenwart. Sich öffnen zielt in mehrere Richtungen. Innerhalb der Familie ist es das Zulassen unterschiedlichster Interessen, Lebensplanungen, Werte & Anschauungen. Wer sich als Unternehmerfamilie nicht dem internen Dialog öffnet, läuft Gefahr, dass Einzelne gehen, weil sie „drinnen keinen Platz mehr finden“. Wenn Ziele, Werte und Regelwerke des Miteinanders in der Vergangenheit entstanden sind und sich nicht der Zukunft öffnen, dann verbleibt dem Einzelnen in der Konsequenz nur der Ausstieg, wenn er für sich und sein Leben keinen Platz mehr im System findet.

Öffnen nach Außen

Das geht einher mit einem zunehmenden Bewusstwerden in vielen Unternehmerfamilien, dass sie für ein erfolgreiches Meistern ihrer heutigen und künftigen Aufgaben gute und starke Partner von außen benötigen. Familienunternehmen öffnen sich gegenüber Fremdmanagern, Kooperationspartnern und vermehrt externen Investoren. Ich wage die Prognose, dass in wenigen Jahren Familienunternehmen neu definiert werden. Heute regeln die Statuten in vielen Familienunternehmen, dass „nur direkte Nachfolger des Gründers auch Gesellschafter werden können“ , um den geschlossenen Gesellschafterkreis eines Familienunternehmens zu sichern. Vielleicht wird diese Reglementierung einer neuen weichen müssen. Gemeinsame Werte, dringend benötigte Qualifikationen, Unternehmergeist, Kapital“ und weitere Kriterien könnten den familiären Inhaberkreis erweitern.

Familienverfassungen sind kein Selbstläufer

Ich habe in den letzten Jahren zahlreiche Unternehmerfamilien – von 5 bis 150 Familienmitgliedern – bei der Erarbeitung ihrer Familienverfassungen unterstützt. Es war für mich persönlich von sehr hohem Wert, Familien beim Ringen um Klarheit, Lösungen und gemeinsame Antworten begleiten zu dürfen. In nahezu allen Fällen hat es die Gemeinschaft gestärkt. Ich kann mich an niemanden erinnern, der die Durchführung eines solchen Projektes im Nachgang bedauert hat. ABER! Meist war die Luft danach einfach raus. Die Arbeit fordert und kostet Kraft. Das macht man nicht einfach nebenher und mancher Knoten löst sich nicht von selbst. Kurzum, ich habe zutiefst Verständnis dafür, dass man nach „der feierlichen Verabschiedung der eigenen Familienverfassung“ erst einmal nichts mehr davon wissen möchte. Sind alle Themen und Fragen einmal abgearbeitet und das Ergebnis niedergeschrieben, so droht die Gefahr, dass das Werk in der Schublade verschwindet und verstaubt. Dann soll es am besten die nächste Generation in die Hand nehmen und die können dann ja weiter daran arbeiten oder gleich eine neue Verfassung schreiben.

TÜV für Familienverfassungen

Deshalb bräuchte es so etwas wie einen TÜV für Familienverfassungen. Die oben erwähnten Fragestellungen sollten in regelmäßigen Abständen auf den Tisch kommen. Ziele, Werte und Spielregeln werden auf deren Aktualität, Angemessenheit und Wirksamkeit überprüft. Mit abschließendem Blick auf das englische Königshaus: vielleicht hätte es dann keinen Megxit gegeben. Die Vereinbarkeit der Wünsche und Erwartungen der jungen Familie mit den royalen Strukturen und Regeln hätte in Ruhe besprochen und aufeinander abgestimmt werden können. Die Intervention und der Konflikt wäre möglicherweise vermeidbar gewesen. Denn, so lese ich es heute Morgen in der Zeitung, nun läuft alles auf ein Machtwort der Queen hinaus und Prinz Harry scheint seinen Job in der royalen Firma los zu sein, was, wie man liest, so gar nicht seine Absicht war.

Über den Autor

Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de

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DIGITALISIERUNG VERÄNDERT FAMILIENUNTERNEHMEN… – aber ihr Unternehmergeist bleibt menschlich

Konzerne und Familienunternehmen

Verfolgt man aktuelle Studien und Medienberichte rund um die Themen Disruption, Digitalisierung, etc., bezeugen diese den Familienunternehmen oft eher schlechte Noten.  Geht es um deren wirtschaftliche Zukunft, macht sich Sorge und Skepsis breit. Anscheinend traut man Konzernen viel mehr zu, insbesondere wenn es um die Hard Facts geht. Dagegen punkten Familienunternehmen bei den Soft Facts.

Herausforderungen für Familienunternehmen

Erst kürzlich war ich Teilnehmer einer Gesprächsrunde mit mehreren jungen Familienunternehmer/innen. Den Eindruck, den ich dort mitnahm, stimmte mich aber durchaus positiv. Sehr offen diskutierte man die Herausforderungen, vor denen diese Unternehmer mit ihren Unternehmen stehen.  Und das beschränkte sich nicht nur auf Digitalisierung. Genannt wurden weitere disruptive Themen wie neue Umweltanforderungen, Marktkonsolidierung und die zunehmende Schnelligkeit im täglichen Geschäft. Aber auch der Wertewandel und eine sich verändernde Geschäftsethik fordern die Unternehmen heraus.

„… das haben wir bisher immer geschafft!“

Beeindruckend war der Umgang mit diesen disruptiven Themen. Man könnte denken, bei der Häufung und Brisanz entsteht eine Weltuntergangsstimmung. Ganz im Gegenteil. Die Unternehmer erkennen Ihre Situation und nehmen sich dieser an. Die Stimmung war gelassen und spürbar kraftvoll. Viele dieser Familienunternehmen befanden sich in der zweiten und dritten Generation, teilweise waren sie noch älter. Und alle erinnern sich an große Veränderungen in den jeweiligen Firmengeschichten.  Ob gesellschaftliche Umbrüche, technologische Erneuerungen, ein Verschieben der Marktkräfte und vieles mehr. Und irgendwie hat man es immer wieder geschafft, das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen.

Und es war nicht eine Ignoranz oder Arroganz, die aus den Unternehmern sprach. Vielmehr eine Art Urvertrauen in die unternehmerischen Geschicke und Ressourcen. Sie setzen nicht auf die Devise „das haben wir immer so gemacht“ sondern ihr Motto lautet „das haben wir bisher immer geschafft“.

Vorleben

Ich erlebte sehr reflektierte Menschen, die zuerst sich selbst und ihre Familie in die Pflicht nehmen:  Werte vorleben, Orientierung geben, sinnstiftende Visionen mit klaren Strategien aufzeigen, Offenheit gegenüber Veränderungen von außen, aber auch in der Kommunikation nach innen, wurden genannt.

Speed

Mein persönlicher Eindruck ist, dass, selbst wenn Familienunternehmen etwas später auf digitale und andere Herausforderungen reagieren, sie sehr schnell Fahrt aufnehmen und bei der Umsetzung ihre Stärken ausspielen. Dieser Unternehmenstypus zeichnet sich durch seine Unabhängigkeit bei den großen wichtigen Entscheidungen aus. Familienunternehmer und Familiengesellschafter entscheiden gemeinsam, ohne die Mitsprache Dritter (z.B. Investoren und Kapitaleigner), mit möglichen eigenen Interessen. Im Idealfall handelt man sehr schnell.

Alle mitnehmen

Was aber auch bedeutet, wie es ein Unternehmer ausdrückte:„(…) man darf nicht vergessen, die Familie mitzunehmen!“ Der unternehmerische Dialog in Familienunternehmen umfasst die Mitarbeiter im Unternehmen genauso, wie die Mitglieder in den Eigentümerfamilien. Das gemeinsame Firmeninteresse steht vor dem Einzelinteresse.  Eine gemeinsame Vision verbindet. Und Unternehmenslenker übernehmen die Rolle eines guten Moderators.

Netzwerkengemeinsam sind wir stärker

Wie, wenn es ein kollegiales Bewusstsein gäbe, wächst nicht nur die Bereitschaft zum kollegialen Austausch, sondern auch ein aktives Aufbauen von Unternehmer-Netzwerken. Der gemeinsame Dialog, die Diskussion, das Infrage stellen und das Ringen um Antworten im Kollegenkreis bringt Impulse und neue Perspektiven. Der Austausch fördert das Herausgehen aus dem Tagesgeschäft um „am und nicht im Unternehmen“ zu arbeiten. Aus losen Netzwerken entstehen nicht selten Kooperationen, um Ressourcen und Kräfte zu bündeln und den Herausforderungen gemeinsam zu begegnen.

Den Wandel selbst gestalten

In seinem Beitrag Mythos Disruption schreibt der Zukunftsforscher Mathias Horx: 

„Disruption entsteht immer dann, wenn alte Systeme träge, selbstgerecht und zukunftsblind werden. Viele Unternehmen aber – die Mehrheit! – sind durchaus vital und lernfähig. Gerade deutsche Mittelständler üben seit Jahrzehnten die Kunst der graduellen Evolution: Sie verbessern ihre Produkte, aber auch ihre Prozesse, ständig. So laufen sie den Disrupteuren einfach davon – indem sie den Wandel, dessen Opfer sie werden könnten, selbst gestalten!“[1]

Radikal

Genau diesen Spirit erlebte ich im Workshop mit Familienunternehmern und Familienunternehmerinnen. Mit dem Mut unbequeme Fragen zu diskutieren und das eigene Geschäftsmodell gedanklich „ auf Null zu setzen, um es auf der grünen Wiese neu zu gründen“, gewinnt man neue Einsichten und Erkenntnisse. Das tun, was einst die Unternehmensgründer getan haben. Denn oftmals waren dies Pioniere, Innovatoren und Querdenker. Der Gründergeist ist eine wichtige Wurzel eines Familienunternehmens.

Unternehmergeist ist nicht digital

Ein gemeinsames Fazit der Gesprächsrunde lautete: Familienunternehmen haben Vergangenheit und sie haben Zukunft. Es ist Teil ihrer DNA, große Veränderungen und Umbrüche erfolgreich zu managen. Sie sollten alles daransetzen, ihren Unternehmergeist beizubehalten. Und ja, in der Tat, dieser ist menschlich und nicht digital.

Über den Autor:

Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de


[1] Matthias Horx: Mythos Disruption.2017, Frankfurt/Main und Wien in DVZ Online, https://www.dvz.de/rubriken/test-technik/detail/news/der-mythos-disruption.html.

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Von der Familienführung zur Fremdführung – Systemwechsel im Familienunternehmen (Teil 2)

Den passenden Fremdgeschäftsführer finden

Weil Inhaber vor dem Hintergrund des Systemwechsels von Familien- auf Fremdführung erstmalig einen Externen an die Unternehmensspitze berufen, können Sie dabei noch auf wenig Erfahrung zurückgreifen. Im Teil 2 meines Beitrages möchte ich Erfahrungen aus der täglichen Praxis teilen. Dieser Beitrag richtet sich insbesondere an solche Familienunternehmen, die zum ersten mal einen Fremdgeschäftsführer suchen.

Auswahlgremium benennen  

Ein erster Schritt ist, ein Auswahlgremium zu benennen. Repräsentiert fühlen sollten sich alle Inhaber und es ist wichtig, dass man im Gremium in der Lage ist, auf alle Fragen zum Unternehmen umfassend und kundig zu antworten. Das Gremium sollte gut arbeitsfähig sein, was bei einer Größe von 3-5 Mitgliedern gegeben ist. Es ist verantwortlich für den kompletten Prozess von der Suche bis hin zur Präsentation und Empfehlung geeigneter Kandidaten im Gesellschafterkreis. Wichtig ist, auf eine gute Kommunikation und Transparenz zu den Inhabern zu achten, da dies Vertrauen schafft.

Auftrag und Erwartungen gut formulieren 

Ausführlich die Aufgabenstellung für und die Erwartungen an den Geschäftsführer zu Papier zu bringen ist die halbe Miete. Somit ist es von hoher Wichtigkeit, sich im Vorfeld der Suche ein sehr klares Bild über die Unternehmenszukunft zu machen, welches gemeinsam erarbeitet wird. Ein leider sehr häufiger Irrtum und Fehler ist die Denkweise, wir suchen uns einen guten Geschäftsführer und der wird es richtig und erfolgreich machen. Insgeheim hofft man auf die Übereinstimmung eigener unausgesprochener Erwartungen mit dem tatsächlichen Wirken des neuen Chefs. Wenn dem nicht so ist, führt das schnell zu Konflikten und nicht selten zur Trennung

Inhaberkompetenz ist gefordert 

Gesellschafter von Familienunternehmen sagen manchmal, „Was soll ich denn unserem Geschäftsführer vorgeben? Dazu habe ich selbst viel zu wenig Ahnung. Deswegen holen wir ihn ja und bezahlen ihm viel Geld.“  So verständlich diese Aussage einzelner Gesellschafter ist, entbindet es dennoch die Inhaberschaft nicht von Ihrer Gesamtverantwortung und Richtungsentscheidung für das Unternehmen.

Genau wissen, wen man sucht 

Aus dem Auftrag und den Erwartungen an den künftigen Fremdgeschäftsführer leitet sich das Anforderungsprofil ab. Welche Skills werden benötigt? Über welchen Erfahrungsschatz sollte der künftige Chef verfügen? Welches spezifische Wissen braucht er? Über welche Kompetenzen verfügt das Unternehmen bereits und was wäre eine sinnvolle und gute Ergänzung? Das Ergebnis ist die Erarbeitung und Verabschiedung eines guten Anforderungsprofils im Gremium und unter Einbindung der Inhaber. Spätestens wenn es zur schwierigen Entscheidung zwischen mehreren sehr geeigneten Kandidaten kommt, wird man das Vorhandensein eines qualifizierten Suchprofils schätzen lernen. Die bestmögliche Übereinstimmung zwischen Kandidaten und Suchprofil soll am Schluss den Ausschlag geben.

Unterstützung durch Personalberater 

Oft werde ich gefragt, ob sich die Zusammenarbeit mit professionellen Personalberatern in dem Such- und Auswahlprozess empfiehlt. Ja, aber… so meine Antwort. Wichtig ist sich vor Augen zu halten, dass Suche und Beratung voneinander zu trennen sind. Ein bisschen ist das so, als wenn man zur Bank geht und seinen Kundenberater nach einer guten Vermögensanlage fragt. Da stecken zwei Seelen in seiner Brust, die des Verkäufers und die des Beraters. Erfahrene Personalberater durchlaufen diese Prozesse tagtäglich. Ihr Beitrag kann von großem Nutzen sein. Zudem haben sie die nötige Distanz, was ihnen Empfehlungen mit hoher Objektivität ermöglicht. Selbstredend ist die Suche und Präsentation geeigneter Kandidaten die Kernleistung des Personalberaters, danach sollte er ausgewählt werden. Nahezu unverzichtbar sind Berater m.E. bei einer vertraulichen und verdeckten Suche. Wenn das Unternehmen zunächst nicht genannt werden möchte und auf dem Markt nicht bekannt werden darf, dass für die Position des Geschäftsführers eine neue Person gesucht wird, braucht es einen externen Agenten. So kann Anonymität so lange wie möglich gesichert bleiben.

Prüfe gut, wer sich lange bindet

Die Zusammenarbeit von Inhaberfamilien und Fremdgeschäftsführern scheitert in vielen Fällen nicht an dessen Leistungen. Oft kommt es zum Konflikt, weil die Chemie nicht stimmt. Für die Inhaber ist die Unternehmensführung bildlich gesprochen der verlängerte Arm ins Unternehmen. Sie transportiert die Visionen und Ziele und Werte der Familie in die Organisation und zu den stakeholdern. Wenn es zwischen Familie und Führung nicht harmoniert, wird das leider oft erst zu spät spürbar. Und dann macht man mal schnell Kompromisse, weil eine Trennung immer auch negative Auswirkung auf den laufenden Geschäftsbetrieb hat. Deshalb prüfe gut wer sich lange bindet. Im Idealfall kennt man sich schon über viele Jahre, weil der künftige Geschäftsführer seinen Weg im Unternehmen gegangen ist. Das muss aber kein Garant sein, denn eine neue Aufgabe und eine neue Rolle können schon einmal andere Seiten eines Menschen aufzeigen. Schwieriger wird eine Entscheidung für Personen, die man noch nicht kennt. Ein gutes Kennenlernen und das Entwickeln eines guten Verständnisses füreinander ist oberstes Gebot und ich kann nur empfehlen, sich hier wirklich Zeit zu nehmen. Hilfreich für eine gute Prüfung kann das Hinzuziehen eines professionellen Begleiters sein, der das Familienunternehmen bereits gut kennt.

Unternehmergespräche führen 

Kandidaten wollen über die Zukunft sprechen. Sie wollen wissen, wohin die Reise im Unternehmen geht. Was soll erreicht werden? Was ist auszuschließen? Woran wird man ihren Erfolg messen? Was sind die strategischen und finanziellen Rahmenbedingungen? Man befindet sich dann sehr schnell inmitten tiefer strategischer und unternehmerischer Diskussionen. Damit unterscheiden sich diese Gespräche inhaltlich nicht  wesentlich von Bewerbungsgesprächen mit Managern und Führungskräften in anderen Organisationen. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass die Inhaberfamilie geschlossen hinter den dargestellten Zielsetzungen und Erwartungen steht. Fremdgeschäftsführer wollen sicher gehen, dass sie nicht in Zielkonflikte zwischen den Gesellschaftern geraten und vertrauen auf einen gemeinsam vereinbarten Kurs.

Die Unbekannte – die Familie hinter dem Unternehmen 

Als Profi kann ein Bewerber sich mit gezielten Recherchen und Fragen schnell einen relativ guten Überblick über die Organisation, den Markt, den Strategien und die Finanzen verschaffen. Anders aber ist es mit der „Familie hinter dem Unternehmen“. Aber auch hier hat die Professionalität der Top-Manager stark zugenommen, was die folgende Sammlung von Fragen externer Kandidaten aus verschiedenen Bewerbungssituationen zeigt. Ich habe diese unten angestellt und kann sie zum „Selbstcheck“ für Familienunternehmen nur empfehlen.

  • Gibt es eine schriftliche Darstellung der Inhaberstruktur und der Gesellschafterfamilie?
  • Gibt es eine Family Governance und/oder eine Familienverfassung?
  • Wie sichert die Familie Handlungs- und Entscheidungssicherheit?
  • Gibt es feste Regeln für den Umgang mit Dividenden?
  • Welche Ziele verfolgen die Gesellschafter mit dem Unternehmen? Gibt es hierüber Konsens?
  • Gibt es strategische und finanzielle Vorgaben für die Umsetzung der Ziele?
  • Für welche Werte stehen die Gesellschafter?
  • Was müsste ich tun, um den Unmut der Familie auf mich zu ziehen?
  • Stehen Nachfolgen / Generationenwechsel im Gesellschafterkreis an? Sind diese geregelt?
  • Gibt es Vorsorgen für a.o. Aufwendungen wie Erbschaftssteuer/Notfall?
  • Wie sieht die Eigentümerfamilie ihre Rolle im Unternehmen und gibt es so etwas wie einen Verhaltenskodex?
  • u.a.

Über den Autor

Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

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Von der Familienführung zur Fremdführung – Systemwechsel im Familienunternehmen (Teil 1)

Beweggründe für einen Wechsel und wichtige Aufgaben der Inhaber, wenn sie einen solchen planen

Die Übergabe der Führung eines Familienunternehmens an Externe erfolgt spätestens dann, wenn aus der Familie keiner geeignet ist oder keiner es möchte. Nach meiner Beobachtung entscheiden sich aber zunehmend mehr Familienunternehmen aus „grundsätzlichen und strukturellen Überlegungen“ heraus, die Führung ihrer Unternehmen Externen anzuvertrauen. Die Systemumstellung von Familienführung auf Fremdführung ist jedoch sehr viel mehr als nur der Austausch von Personen auf dem Chefsessel. Hierbei handelt es sich um einen tiefgreifenden Veränderungsprozess an der Schnittstelle „Inhaberschaft ó Unternehmensführung“. Dies hat zur Folge, dass die Governance des Familienunternehmens zu überarbeiten und anzupassen ist. Und! Die Suche, Auswahl und Integration des „ersten Fremdgeschäftsführers“ erfordert eine optimale Vorbereitung und achtsame Umsetzung. Hierauf werde ich im zweiten Teil dieses Blog Beitrages eingehen.

Der strukturelle Umbau und die Neubesetzung der Geschäftsführung sind zwei voneinander abhängige, ineinander greifende und sich überschneidende, aber dennoch unbedingt zu trennende Prozesse. Missachtung dessen kann in der Praxis schnell zur Folge haben, dass Fehlentwicklungen „dem Neuen“ zugeschrieben werden. Dann wird der neue Fremdgeschäftsführer, sei er fachlich noch so gut, schnell an ungeklärten Erwartungshaltungen scheitern. In einem mir gut bekannten Unternehmen führte das zu drei hintereinander folgenden „Fehlbesetzungen“, bis man endlich erkannte, dass die Ursache viel tiefer lag.

Warum entscheiden sich Familienunternehmen aus strukturellen Gründen für eine Fremdführung?

Ich möchte hier drei wichtige Beweggründe anführen:

Vermeiden, dass Familie Familie kontrolliert

Eine meiner Prämissen bei der Erarbeitung eines Regelwerkes für ein Familienunternehmen lautet: Familie kontrolliert nicht Familie. Aus der Verantwortung als Eigentümer leitet sich die Kontrolle und Aufsicht über die Unternehmensführung ab. In der Praxis führt das dann z.B. zur Kontrolle der Arbeit des Bruders, der die Geschäfte führt, durch seine Schwester, der Miteigentümerin.

Geschwister sorgen füreinander, streiten sich gelegentlich oder sind einander gleichgültig. Meist aber vertraut man sich und der eine kontrolliert nicht die Performance des anderen. Im Unternehmen dagegen wird die Arbeit des Managements von den Eigentümern beaufsichtigt. Der Rollenwechsel als Geschwister zwischen „wir sind Familie und vertrauen uns“ hin zu „wir sind Eigentümer und kontrollieren den Geschäftsführer“ ist eine hohe Kunst und große Herausforderung in Unternehmerfamilien.  Oft wird schon das absichtslose Nachfragen und das „sich erklären lassen von Sachverhalten“ als Misstrauen interpretiert.

Aus meiner Erfahrung verbirgt sich hier eines der großen Konfliktpotenziale, an dem nicht wenige Inhaberfamilien scheitern.

Will man die direkte Kontrolle zwischen Familienmitgliedern vermeiden, bietet sich die Übertragung der Kontrolle und Aufsicht an externe, nicht zur Familie gehörende Experten an.  Die positive und entlastende Wirkung eines quasi dazwischen geschobenen externen Beirats kann aber auch zu einer Entfremdung der Familie vom eigenen Unternehmen führen. In der Praxis erleben das viele als Bruch zwischen Inhaberschaft und Führung und einen damit verbundenen Verlust an Einflussnahme auf das eigene Unternehmen. Da liegt dann oft nahe, sich gemeinsam in die Rolle eines verantwortungsbewussten und strategisch agierenden Inhabers zurückzuziehen und die operative Unternehmensführung in die Hände externer Manager zu geben.

Vermeiden von Interessenkonflikten zwischen den aktiven und nicht-aktiven Gesellschaftern

Geschäftsführende Gesellschafter stehen inmitten des betrieblichen Geschehens und tragen direkte Verantwortung für die Unternehmenszukunft. Die Sicht eines Gesellschafters, der nicht aktiv im Unternehmen arbeitet, ist schon deshalb anders, weil er naturgemäß nicht dieselben Informationen und Wissensstände hat. Das führt bei gemeinsamen Entscheidungen im Gesellschafterkreis zu Asymmetrien, weil die Wissensgrundlagen der Entscheider voneinander abweichen. Ein Austausch von Argumenten und eine fachliche Diskussion auf Augenhöhe wird dadurch erschwert. Zudem wird in der Praxis den nicht-aktiven Gesellschaftern oft ein Interesse nach höheren Ausschüttungen und den aktiven Gesellschaftern das Streben nach einer höheren Gewinnthesaurierung unterstellt. Des Weiteren werden häufig persönliche Eitelkeiten in den Fokus gestellt. Erfolgreiche Familienunternehmer geraten im Familienkreis gerne in den Verdacht, sie würden Unternehmenserfolg und persönlichen Erfolg sowie Ansehen nur zu einem geringen Grad voneinander trennen können.

All dies bietet einen guten Nährboden für Missverständnisse und Ressentiments und kann sich über die Jahre und Jahrzehnte zu einem schwelenden oder gar handfesten Konflikt entwickeln. Da kann es eine gute Entscheidung sein, die Konfliktlinie aus dem Familienkreis heraus zu nehmen, indem sich die Familie geschlossen auf die Inhaberseite zurückzieht.

Vermeiden von Asymmetrie zwischen den Familienstämmen

Nach mehreren Generationen können sich in Familienunternehmen Gesellschafterstämme herausbilden. Dabei ist es unerheblich, ob diese gesellschaftsrechtlich oder „nur familiär“ gebunden sind. In beiden Fällen kann es dazu führen, dass die höhere Einflussnahme eines Stammes auf das gemeinsame Unternehmen aufgrund der Tatsache, dass ein Mitglied dieses Stammes in der Unternehmensführung vertreten ist, bei den verbleibenden Stämmen Argwohn herbeiruft. Der Familiengeschäftsführer, der die Interessen aller Gesellschafter, in gleicher Weise zu vertreten hat, kann dadurch in Verdacht geraten, die Überparteilichkeit zu verlieren. Als ein weiterer Aspekt kommt hinzu, dass man dem Familienstamm des Geschäftsführers unterstellt, dessen Leistung vielleicht aufgrund der familiären Nähe weniger kritisch zu beäugen. Das kann in wirtschaftlich schwierigen Situationen zu einem Konflikt zwischen den Stämmen führen. Von einer extern besetzten Geschäftsführung dagegen erwartet man eine Gleichschaltung der Interessen aller Stämme. Und vice versa unterstellt man allen Gesellschaftern ein nicht durch familiäre Bande geprägtes Urteilsvermögen über die Leistung des Geschäftsführers.

Aufgabenstellungen für Inhaber beim Systemwechsel von der Familien- auf eine Fremdführung

In der Folge möchte ich wichtige Aufgaben skizzieren, wie Inhaber aus meiner Erfahrung diesen Systemwechsel gut meistern können.

Professionelle Kontrollprozesse lösen familiäres Vertrauen ab

Nach meiner Erfahrung erhalten geschäftsführende Gesellschafter weitreichendere unternehmerische Gestaltungsräume und werden weniger kontrolliert. Man vertraut darauf, dass Sie mit ihrem eigenen Geld in gleichem Maße verantwortungsvoll und umsichtig agieren, wie man das selbst tun würde.  Das System Familiengeschäftsführung ist meist von Vertrauen geprägt. Die Familie, auch wenn es reichlich Streitpunkte gab und gibt, kennt sich über Generationen. Weniger die professionelle Beziehung im Unternehmen, vielmehr die familiäre und persönliche Bindung trägt den Zusammenhalt. Professionelle Aufsicht im Unternehmen unterbleibt in vielen Fällen. Man vertraut dem Geschäftsführer aus den eigenen Reihen mit der Überzeugung „wer handelt schon bewusst gegen die Interessen seiner eigenen Familie?“.

Mit dem Wechsel auf einen Externen geht das familiäre Vertrauen verloren. Es bedarf der Entwicklung neuer professioneller Entscheidungs- und Aufsichtsprozesse zwischen Inhaberschaft und Unternehmensführung. Diese geben Orientierung und bilden ein starkes Fundament.

Emotionale Firewall aufbauen

Zitat einer langjährigen Führungskraft: „Ich habe alles getan, um mich nicht in die familiären Diskussionen hineinziehen zu lassen!“

Bei der Suche nach einer Top-Führungskraft stehen Familienunternehmen sowohl im harten Wettbewerb untereinander, als auch mit Konzernen und anderen Organisationen. Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass eine Karriere im Familienunternehmen nicht nur eine unternehmerische Chance ist. Manager berichten durchaus von schlechten Erfahrungen mit Inhaberfamilien und bemängeln Unprofessionalität und Irrationalität in der Kommunikation und bei Entscheidungen. Berichtet wird von Familien, die sich nicht einig sind und deren Konflikte ins Unternehmen hinein getragen werden. Die Manager vermissen klare Vorgaben, gute Spielregeln für die Zusammenarbeit und werden in familiäre Dynamiken involviert. Hierzu ein Fall aus der Praxis:  Nicht vergessen werde ich die Erfahrung eines Geschäftsführers, der mir nach mehreren Jahrzehnten im Unternehmen am Tag des Ausscheidens seine Überlebensstrategie mit einem Schmunzeln beschrieb. Er nannte es seine persönliche U-Boot Strategie. Von Zeit zu Zeit hätte er sein Teleskop ausgefahren und „einen kurzen 360° Schwenk in die Unternehmerfamilie hinein gemacht“, um es dann schnell wieder einzuziehen und auf Tauchstation zur Familie zu gehen. Damit sei er hervorragend gefahren. Anders hätte er es nicht geschafft, denn ihm war immer wichtig nicht in die vielen Diskussionen und emotionalen Belange hineingezogen zu werden.

Es ist nicht zufällig, dass zunehmend mehr Inhaberfamilien sich für die Erarbeitung einer Familienverfassung entscheiden. Sie verfolgen damit eine bessere Abstimmung der vielfältigen Interessen innerhalb der Familie und bauen somit Konflikten vor. Und sie organisieren sich besser, um mit „einer Stimme“ gegenüber dem Management zu sprechen.

Ziele vorgeben und Führungsauftrag formulieren

Zitat eines Fremdgeschäftsführers: „Es wäre für meine Arbeit wichtig, dass die Familie sich auf einen Kurs einigt und ich weiß, woran ich bin!“

Wenn Inhaberfamilien sich aus der Unternehmensführung zurückziehen, verändert sich oft auch die Zuordnung dafür, wo nun die Verantwortung für die langfristige strategische Ausrichtung des Unternehmens liegt. Aus meiner Erfahrung übernehmen die Inhaberfamilien nun in einem höheren Maß die Aufgabe, sowohl Unternehmensziele als auch strategische und finanzielle Rahmenbedingungen festzulegen. Hierfür benötigen sie ein tiefes und gutes Verständnis für das Unternehmen in allen seinen Belangen sowie dessen Märkte und Trends & Entwicklungen. Auf dieser Grundlage formulieren sie die Aufgabenstellung für die Unternehmensführung. Umso durchdachter und professioneller sie diese Aufgabe erledigen, desto besser sind die Voraussetzungen und klarer die Rahmenbedingungen für die Unternehmensführung.

Offen und transparent werden

Familienunternehmen tun gut daran, sich auch die Perspektive außenstehender Manager zu eigen zu machen. Nach meiner Erfahrung hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren ein großer Wandel bei Führungskräften im Umgang mit Familienunternehmen vollzogen. Externe sind kritischer geworden und sehen genauer hin. Und sie stellen gute Fragen! Sie wissen, dass jedes Familienunternehmen seine eigene Kultur hat. Anders als in „Nicht Familienunternehmen“ erkennt man diese nicht immer auf den ersten Blick. Oft ist diese Kultur nicht dokumentiert und kann vielleicht auch nur schwer verbalisiert werden. Denn sie steht in engem Zusammenhang mit den Menschen und Persönlichkeiten aus der Inhaberfamilie, die das Unternehmen über Jahre und Jahrzehnte geprägt haben. Da fürchten Externe schnell mal auf unbekanntes Terrain zu geraten, was sie lieber vermeiden wollen. Wenn Familienunternehmen sich bei „den Besten bewerben“ ermuntere ich sie gerne zu großer Offenheit und Transparenz. Sie sollten auch Blicke hinter die Kulissen zulassen. Werte und Kultur erzählt man gut in Geschichten und Anekdoten. Das ermöglicht ein besseres Verständnis, macht sie menschlich, sympathisch und schafft Vertrauen.

Über den Autor:

Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de

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Regeldisruption im Familienunternehmen durch Generationswechsel

Familienunternehmen scheinen ein Hort der Stabilität zu sein. Doch rund alle 30 Jahre erleben sie eine wiederkehrende Disruption: den Generationswechsel. Dabei geht es meist nicht nur um den Chefsessel, sondern auch um Führungsstil, Inhaberstruktur und Strategie. Dieser hoch komplexe Vorgang kann als Bedrohung erlebt werden – und eine große Chance sein. Je nachdem, wie man ihn angeht.

Revolution statt Evolution? 

Disruption – bei diesem Begriff denkt man an revolutionäre Veränderungen, etwa an die rasante Erosion traditioneller Geschäftsmodelle durch Digitalisierung und Globalisierung. Die Entwicklung von Familienunternehmen wird dagegen gern als evolutionärer Prozess gesehen.

Die Kinder werden erwachsen, finden Partner, bekommen Nachwuchs, die Familie wird größer … Dann ändern sich die Rollen. Dieser Übergang ist allerdings schon in normalen Familien nicht eben einfach. Die Jungen müssen Verantwortung übernehmen, das Leben nach ihren Vorstellungen anpacken, die Älteren reden rein, verteidigen ihre Wertvorstellungen, ihre Lebensleistung  – und brauchen selbst Unterstützung und Hilfe.

Regelmäßiger Reset

In Familienunternehmen bedeutet der Generationswechsel einen noch tieferen Einschnitt. Rund alle 30 Jahre ändern sich die Rahmenbedingungen grundlegend – und das kann erhebliche Auswirkungen auf die Art der Führung und die Leistungsfähigkeit der Firma haben.

Das Unternehmen erlebt eine Art Disruption

Diese eröffnet die Chance, sich zu erneuern und für ein gewandeltes Umfeld frisch aufzustellen. Das ist nicht ohne Risiken. Doch die größere Gefahr liegt darin, aus dem Wunsch nach Sicherheit (und um Konflikten aus dem Weg zu gehen), einfach so weiterzumachen wie bisher und an vermeintlich Bewährtem festzuhalten, das nicht mehr in die Zeit passt.

Alte Erfolge, neue Erfordernisse

Zum Prozess des Übergangs gehört, dass die Senioren Generation bereit ist, nach und nach los zulassen. In der Praxis erlebt man es leider oft anders:

Der einst innovative Senior Unternehmer etwa verharrt in der Überzeugung, dass es genügt, sein überlegenes Produkt weiterzuentwickeln. Vertrieb und Marketing sind für ihn weniger relevant, ja eigentlich lästig. Der Junior denkt strategisch und hat in der Business School gelernt, dass der Markt über Erfolg und Misserfolg entscheidet. Der Senior vermisst beim Sohn die Fokussierung auf und die Liebe fürs Produkt, der Junior stöhnt im vertrauten Kreis, dass der Vater für alles andere blind sei.

Der Handelsunternehmer war über Jahrzehnte hinweg erfolgreich, weil er seine Verkaufsflächen optimal bespielte und die Quadratmeterumsätze gekonnt zu steigern wusste. Nun will die Juniorin auf Digitalisierung setzen und treibt die Entwicklung der Verkaufs- zur Erlebnisfläche voran. In den Augen des Seniors gefährdet dieser Weg die Unternehmenszukunft. Für die Tochter ist er die einzige Chance, zu überleben.

Die Ideen der Jungen können neue Perspektiven eröffnen oder hart Erarbeitetes gefährden – und Kompromisse sind oft nicht möglich oder zielführend.

Zweite, dritte, vierte Generation im Familienunternehmen

Mit jedem Generationswechsel steht das Unternehmen vor einer anderen Situation. Jede bewirkt tiefe Veränderungen und kann zu neuen Brüchen führen. Sobald etwa eine Erbengemeinschaft der Kinder den Gründer ersetzt, werden wichtige Entscheidungen nicht mehr von einem Chef getroffen, die Geschwister müssen sich einigen. Das dauert länger – und oft geht es dabei nicht mehr ausschließlich um die Unternehmensziele. Bei den nächsten Stabübergaben vergrößert sich jeweils die Gruppe der Gesellschafter. Die Entscheidungsfindung wird ohnehin komplexer, zudem werden nun möglicherweise schwelende Konflikte zwischen Familienmitgliedern am Gesellschaftertisch ausgetragen. Verwandte müssen lernen, sich nun als Gesellschafter, Geschäftsführer oder auch als Mitarbeiter zu begegnen und entsprechend miteinander zu kommunizieren.

Informationsflüsse regulieren 

Die Beziehung der Familie zum Unternehmen verändert sich – und auch die Distanz zwischen den verantwortlichen Inhabern und Führungskräften sowie Mitarbeitern wächst. Erfuhr der eine Chef alles Wesentliche noch im Gespräch mit seinen Abteilungsleitern oder beim Gang über den Flur, ist es nun wichtig, die Kommunikationswege neu zu verdrahten, damit alle relevanten Informationen an den richtigen Stellen zusammenlaufen. Der informelle Austausch mit einzelnen Mitgliedern der Führungsriege etwa kann für jede Menge Probleme und Konflikte sorgen.

Trennung von Führung und Besitz

Nach den ersten Generationswechseln sind nicht mehr alle Gesellschafter an der Unternehmensführung beteiligt. Damit gibt es eine neue Managementaufgabe: Es gilt, einen Ausgleich zwischen Einzel-, Familien- und Unternehmensinteressen zu schaffen, etwa, was die Gewinnverwendung angeht.

Großfamilie und Traditionsunternehmen

Hat ein Familienunternehmen bereits einige Generationswechsel erfolgreich überstanden, wird es immer wichtiger, die Bindung der Familienmitglieder zum Unternehmen aufrecht zu halten – angesichts der zunehmenden Zersplitterung der Gesellschaftsanteile keine leichte Aufgabe. Auch hier gilt es, die junge Generation an ihre unternehmerische Verantwortung heranzuführen. Die Auswahl an geeigneten Kandidaten wird größer, ebenso allerdings das Potential für Konflikte.

„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel!“ 

Trainerlegende Sepp Herberger wusste, dass die Vorbereitung für das nächste Match unmittelbar nach dem Schlusspfiff beginnt. Auch wenn der genaue Zeitpunkt vielleicht nicht feststeht – dass der Generationswechsel eines Tages stattfinden muss, ist unabweisbar. Je länger man das Thema verdrängt, desto schwieriger wird es, geeignete Lösungen vorzubereiten. Startet man dagegen frühzeitig in diesen Prozess, hat man viele Jahre, den Übergang bewusst zu gestalten, die junge Generation in die Verantwortung zu führen, ihr Freiräume zu schaffen, Veränderungen einzuleiten und Konfliktfelder auszuräumen.

Respekt fürs Erreichte, offen für die Zukunft. Das – selten verwirklichte – Ideal: Alte und junge Generation tauschen sich offen über Erfolge und Niederlagen aus, über richtige und falsche Entscheidungen. Probleme und Interessensunterschiede werden nicht als Bedrohung empfunden, über die man besser nicht spricht, sondern als Motivation erlebt, immer wieder nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Eltern, Onkel und Tanten sprechen ehrlich und nicht idealisierend über die Geschichte des gemeinsamen Unternehmens. Die nachfolgende Generation fühlt sich in diesem Dialog ernst genommen und erhält die Chance, sich wirklich mit dem Unternehmen zu identifizieren und die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Ein Grundgesetz für die Familie

Nachfolge, Verantwortlichkeiten, Mitbestimmung, Rechte & Pflichten, Gewinnverteilung, Kommunikation … In Unternehmerfamilien gibt es viel zu klären. Es sinnvoll, damit nicht so lange zu warten, bis der ohnehin schwierige Generationswechsel zur gefährlichen Disruption wird. In ruhigeren Zeiten ist es leichter, gemeinsam ein Regelwerk für die relevanten Themen- und Aufgabenstellungen zu erarbeiten. Was bedeutet es für uns, „Unternehmer“ zu sein? Welche Voraussetzungen müssen wir dafür in Firma und Familie schaffen? Dieser Klärungsprozess bietet zugleich die Gelegenheit, sich intensiv, ehrlich und ergebnisoffen miteinander auszutauschen, die Bindung als Familie zu festigen – sowie sich der eigenen Wünsche und Vorstellungen in diesem Kontext bewusst zu werden und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. Nach meiner Erfahrung schöpft man aus diesen Gesprächen eine enorme Kraft. Viele empfinden diesen Prozess als ein Durchstarten in eine neue Lebensphase eines Familienunternehmens.

Aufgezwungene Disruption

Joseph Schumpeter schuf den Begriff der „schöpferischen Zerstörung“. Produkte, Prozesse und Strukturen erneuern sich danach fortwährend, Altgewohntes wird verdrängt. So schreitet der wirtschaftliche und technische Fortschritt voran. Zwischen diesen Umwälzungen gibt es Phasen der Ruhe – doch der Prozess der Erneuerung läuft ununterbrochen weiter. Wer sich nicht rechtzeitig wandelt, wird verdrängt. Jene Organisationen jedoch, die die sich fortwährend anpassen, haben Bestand.

… oder bewusst gesteuerte Anpassung

Familienunternehmen haben aus dieser Perspektive einen besonderen Vorteil. Der Generationswechsel stört in regelmäßigen Abständen die gewohnten Abläufe, erzwingt einen prüfenden Blick auf Unternehmensführung und Geschäftsmodell – und eröffnet eine Chance, Dinge neu zu sehen und anders anzupacken. Die Anstrengung lohnt, sich dieser Aufgabe bewusst zu stellen und gemeinsam immer wieder mutig die nötigen Veränderungen anzupacken. Statt passiv einer zerstörerischen Disruption unterworfen zu sein, passt die Familie das Unternehmen aktiv selbst an veränderte Bedingungen an. Und legt die Basis für dauerhafte Stabilität und eine gesicherte Zukunft.

Über den Autor

Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de .

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Familienunternehmen zukunftsfähig machen

Rahmen und Struktur von Familienunternehmen können in die Erstarrung führen. Um nicht zum Opfer einer Disruption zu werden und den Unternehmergeist wieder freizusetzen, müssen der oder die Inhaber die Situation vorurteilslos betrachten und die erforderlichen Veränderungen aktiv angehen. Auch gegen Widerstände – und auch wenn das womöglich einschneidende Maßnahmen erfordert.

Unser Haus, das Familienunternehmen

Bei Familienunternehmen spricht man gern vom „Haus“. Dieses Bild passt in vielerlei Hinsicht. Ein Haus baut man für seine Familie, gibt es an seine Kinder weiter. Ein Haus ist Heimat. Ist es älter, steht es für Tradition. Man denkt an schöne Gebäude, die es zu bewahren gilt. Ich höre oft: „In ‚unserem Haus‘ gelten bestimmte Werte.“ Beim Erbadel verwendet man übrigens denselben Begriff – Ernst August ist Oberhaupt des Hauses Hannover. Das Bild vom Haus eröffnet uns auch einen Blick auf die problematischen Seiten der Entwicklung eines Familienunternehmens.

Die Balken knarren

Der Erbprinz von Hannover hat gerade Schlagzeilen gemacht, weil er versuchte, das Schloss Marienburg für einen Euro an den Staat zu verkaufen. Sein Vater war dagegen, heftiger Familienstreit war die Folge. Wer ein denkmalgeschütztes Gebäude besitzt, versteht das Problem: Die Fassade ist schön, doch wer genauer hinschaut, bemerkt die Risse. Drinnen knarren die Böden. Die Stromleitungen sind nicht für moderne Anforderungen ausgelegt, und der Energieausweis fällt unerfreulich aus.

Lohnt sich die Renovierung? 

Oft lässt sich die Situation nur mit großen Mühen und Kosten verbessern – doch der Status eines Denkmals schränkt die Möglichkeiten stark ein. Der eine oder andere wünscht sich im Stillen, er könnte die Villa einfach abreißen und passend für seine Bedürfnisse neu bauen. Manche Familienunternehmen gleichen solchen Häusern. Den Denkmalschutz erlegen sie sich dabei selbst auf – durch das strenge Bewahren der Tradition und den Leitsatz: „Das haben wir schon immer so gemacht“. Mit der zweiten, dritten, vierten Erbengeneration wachsen die Probleme – und die Spielräume werden enger.

Disruption der Geschäftsmodelle

Die Märkte, die Technologien wandeln sich in immer höherem TempoFachleute raten deshalb Unternehmern dazu, sich innerlich auf die grüne Wiese zu stellen und darüber nachzudenken, wie sie ihr Geschäftsmodell heute neu und zukunftssicher aufstellen würden – in völliger Freiheit und unabhängig von bestehenden Strukturen. Natürlich muss man dieses Ideal dann mit den realen Möglichkeiten zusammenführen. Die Nachfolgegenerationen in Familienunternehmen haben hier meist noch weniger Handlungsoptionen. Das hat damit zu tun, dass sich der Gesellschafterkreis (die Familie) in ein geschlossenes, ja erstarrtes System verwandeln kann. Geschieht das, ist die (Über-)Lebensfähigkeit des Unternehmens in Gefahr.

Vom dynamischen Gründer zum Erbprinzip

Es ist noch nicht so lange her, da war es nahezu selbstverständlich, dass die nächste Generation ins Unternehmen eintrat. Mit der Geburt wurde man zum Nachfolger, ob man wollte oder nicht, ob man das Talent mitbrachte oder nicht. Das sieht auf den ersten Blick aus wie die Fortführung einer Familientradition – doch eigentlich handelt es sich um einen Bruch in der Entwicklung: Der Gründer setzte mutig auf eine Geschäftsidee, auf eine Innovation und ging echte Risiken ein, um seine Pläne zu verwirklichen. Nun gilt es, das Erbe zu gestalten – im schlechten Fall allerdings wird es nur noch verwaltet. Denn möchten die Nachfolger engagiert unternehmerisch handeln, stoßen sie oft auf schwer überwindbare Hindernisse. Und das muss gar nicht ein Senior sein, der die Zügel nicht loslassen möchte und auf Bewährtem beharrt. Die Probleme liegen im System Familienunternehmen selbst.

Erstickt hinter ererbten Mauern: 

Anteilsbesitz und Kontrolle werden in einem Familienunternehmen über Generationen hinweg an die Nachkommen übertragen. Ein Austritt aus der Erbengemeinschaft ist schwer: Man versucht, das Kapital zusammen zu halten, um die Fortführung der Firma durch die Nachkommen zu sichern. Die Barrieren gegen die Beteiligung von Außenstehenden an der Führung sind ebenfalls hoch. Diese Mauern geben Stabilität, aber sie sperren auch frische Luft und neue Ideen aus.

Der Zusammenhalt geht verloren

Je größer die Unternehmerfamilie wird, desto heterogener wird sie auch. Die Familienbande bröckeln – nach und nach wird die gemeinsame Basis instabil.

Und doch: aneinander gefesselt

Eigentlich ist es vollkommen natürlich, dass sich die Lebenswege voneinander entfernen. So entsteht Neues und Menschen entwickeln sich weiter. Der Beamtensohn eröffnet ein Restaurant, die Musikertochter wird Steuerberaterin, die strenge Tante sieht man nur noch zu Weihnachten und den seltsamen Onkel findet man aus der Ferne amüsant. Im Gesellschafterkreis des Unternehmens jedoch sitzen alle regelmäßig am gemeinsamen Tisch, um zu diskutieren und zu entscheiden – ob sie nun Interesse und Kenntnisse mitbringen oder nicht. Selbst bei besten Absichten aller Beteiligten kann das die Handlungsfähigkeit der Firma beeinträchtigen. Und manche fühlen sich nur noch als „Stimmvieh“ – denn man erwartet zwar, dass sie Entscheidungen abnicken. Ihr Input aber ist nicht mehr gefragt

Von der Gestaltungsmacht zur Blockademacht

Während der Gesellschafterkreis von Generation zu Generation wächst, zersplittern die Anteile. Der eine Familienteil hat mehr Nachkommen, der andere weniger. Über die Jahre hinweg verändern sich die Kräfteverhältnisse, etwa auch durch interne Anteilsübernahmen. Das Ergebnis ist oft eine unübersichtliche Gesellschafterstruktur. Dadurch kann es unmöglich werden, Mehrheiten für unternehmerische Entscheidungen zügig oder überhaupt zu finden. Dabei geht es oft gar nicht um Bedenken in der konkreten Sache. Es geht um Emotionen. Das Stimmverhalten wird zum Machtinstrument bei der Austragung von Interessenskonflikten oder – im schlimmsten Fall – privater Fehden.

Sprechen wir übers Geld

Um im globalisierten Umfeld zu bestehen müssen Unternehmen investieren – in Digitalisierung, in innovative Produkte, in die Erschließung neuer Märkte und vieles mehr. Bei Familienunternehmen kann es hier eng werden: Die beschriebene Mauer verhindert die Aufnahme weiterer Gesellschafter mit frischem Kapital. Wer nicht aktiv im Unternehmen tätig ist, entwickelt einen anderen Blick auf das Vermögen. Das Geld steckt in der Firma, die Familienmitglieder haben oft keine anderen vergleichbar wichtigen Geldanlagen. Die Begehrlichkeit nach Dividenden nimmt zu, die Risikobereitschaft ab. Geschäftsführer und Vorstände von Familienunternehmen haben mir häufig geschildert, wie schwierig es für sie ist, für notwendige Investitionen zu werben. Manchmal beneiden sie Start-Up-Unternehmer, die in ihren Finanzierungsrunden auf kritische – aber sachkundige und risikobereite – Kapitalgeber treffen.

Form und Funktion

Unter anderem in der Architektur gibt es das Konzept, dass die Form der Funktion zu folgen habe. Das Leben, die Rahmenbedingungen haben sich geändert – wer heute baut, muss sich neue Lösungen überlegen. Klimawandel, Energieeffizienz, knapper Baugrund und gestiegene Preise sowie neue Baustoffe sind nur einige der Einflussfaktoren. Auch unser Lebensstil wandelt sich – Architekten müssen darauf Rücksicht nehmen, dass es mehr Single-Haushalte gibt, dass Arbeits- und Privatleben sich immer mehr vermengen, wir häufiger die Wohnung wechseln, dass die Gesellschaft insgesamt älter wird und sich damit die Bedürfnisse ändern. Bestandswohnungen werden immer häufiger umgebaut – oder abgerissen.

Sich der Realität stellen

Übertragen wir diese Idee auf das Haus „Familienunternehmen“, und stellen wir die Frage: Bietet es die geeigneten Voraussetzungen – einen guten Raum – für erfolgreiches Unternehmertum? Oder ist die Form zum Selbstzweck geworden und nun weniger stabile Basis als eine erstickende, unbewegliche Hülle?

Analysieren – und handeln

Lässt sich das Haus renovieren? Genügt es, ein paar neue Leitungen zu legen und einen Aufzug einzubauen? Muss man es entkernen und von innen komplett neu gestalten? Reicht es, einzelne Teile abzutragen – oder muss man ganz neu bauen? Wie geht man mit Widerständen um? All das zu beurteilen und die richtigen Entscheidungen zu treffen, ist manchmal ein langer Prozess. Hilfreich kann dabei der kritische Blick eines neutralen Außenstehenden sein, der die Mechanismen und Eigenheiten von Familienunternehmen kennt, aber nicht in die internen Konflikte verwickelt ist. Die Wege zum Ziel können sehr unterschiedlich sein. Eine Gemeinsamkeit haben sie alle:

Am Anfang steht der Mut, den Wandel anzupacken

Dieser Text bildet den Start zum Blog: „Mut zum Wandel: Familienunternehmen und gelebtes Unternehmertum“. Darin möchte ich mich künftig nicht nur damit befassen, welche Wege in die Erstarrung, sondern vor allem aufzeigen, welche wieder hinaus führen.

In den nächsten Beiträgen soll es um diese Themen gehen:

  • Die Entwicklung von Gesellschafterstämmen – Konfliktfelder und Lösungsansätze
  • Frische Luft hereinlassen – Externe in Geschäftsführung und Beirat
  • Regeldisruption – Chancen und Risiken beim Generationswechsel


Über den Autor:
Der Family Business Advisor Toni Plonner berät seit über 25 Jahren Unternehmer/innen und Unternehmerfamilien und gilt als einer der erfahrensten Berater für Familienunternehmen. Zudem ist er als Beirat und Aufsichtsrat in namhaften Familienunternehmen tätig.

Persönlicher Kontakt: tp@plonner.de

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